Geschichte
Chronik der Besiedlung von Parabutsch ( Boris Masic)
Liebe Parabutscher, liebe Gäste
Parabuty, Paripás, Paraput, Dubrava, Gutacker, Ratkovo…Viele Namen für einen Ort. Schon die verschiedenen Ortsnamen sprechen über eine lange Geschichte dieses Gebietes. Die Region zwischen Donau und Theiß, auch Batschka genannt, in der das Dorf Parabuty entstanden ist, sah vor der Ansiedlung von deutschen Kolonisten ganz anders aus als heute. In der Umgebung vom heutigen Ort war ein sumpfiges Gebiet, in dem sich kleine unorganisierte Ortschaften entwickelt haben.
Als der osmanische Herrscher Suleyman der Erste den ungarischen König Ludwig II bei Mohatsch besiegt hatte, fiel die ganze Region der heutigen Batschka in die Hände der Osmanen. Die 150-jährige Herrschaft der Osmanen führte zur Verwüstung und Entvölkerung der ganzen Pannonischen Tiefebene. Der Name Parabutsch ist erstmals in einer türkischen Beschreibung des Ortes erwähnt. Das bedeutet, dass es in dieser Zeit schon einen „Slavisierten“ Namen des Ortes gab. Von den Türken geduldete Serben übernahmen bereits bestehende Ortschaften oder gründeten neue Siedlungen. So geschehen auch mit Parabutsch.
Als dieses Gebiet in die Hände der österreichischen Hofkammer kam, verhinderte die Kaiserin Maria Theresia, dass in ihrem neuen Territorium der ungarische Adel oder die Kirche ihre „vortürkischen“ Besitzungen zurückerhalten.
Die serbische Siedlung Parabutsch ist von den Serben im Jahr 1700 gegründet und in heutiger Form ausgebaut. Um die serbisch-orthodoxe Kirche herum bauten die Serben ihren Ort aus. Zum Vergleich mit anderen Ortschaften hatte Parabutsch eine sehr umfangreiche Dorfflur, so dass die serbischen Einwohner nur einen kleinen Teil bewirtschaftet haben. Im Jahre 1775 wurde die heutige serbisch – orthodoxe Kirche gebaut und dem Heiligen Georg geweiht. Diese Kirche steht noch heute im Dorf und ist ein Prachtstück des serbischen Barocks in der Batschka.
Erst in der Hälfte des XVIII Jahrhunderts hat die Krone angefangen, die Güter neben der Donau mit Deutschen, katholischer Religion, anzusiedeln. Von diesem Moment an fing das harmonische Zusammenleben von Serben und Deutschen im Ort Parabutsch an, das bis heute über gute multi-ethnische Verhältnisse in der Batschka zeugt.
Die Siedler für das neue Gebiet zwischen Donau und Theiß wurden durch kaiserliche Werber angeworben, die vor allem habsburgische Gebiete im deutschen Südwesten, aber auch das Elsass und Lothringen durchzogen. Diese Ansiedlungswilligen wurden dann von den Ansiedlungswerbern in Gruppen zur Einschiffung nach Ulm gebracht, von wo aus sie auf der Donau in kleinen Schiffen, sog. „Ulmer Schachteln“, über Regensburg, Passau und Wien die Donau abwärts bis zu den Anlegestellen Apatin und Neusatz gelangten.
Die deutsche Besiedlung der Gemeinde Parabutsch erfolgte in drei Schichten:
Die ersten Deutschen übersiedelten wegen Feldmangels in ihren Heimatgemeinden aus den umliegenden deutschen Ortschaften nach Parabutsch. Die meisten kamen aus Hodschag, Filipovo, Karavukovo, Bukin, Novoselo und Gajdobra. Diese „übersiedelten“ Deutschen ließen sich im östlichen Teil des Dorfes nieder und bauten ihn aus.
Bei dieser „Zuwanderung“ kamen vor allem folgende Familien aus dem Schwarzwald und aus Lothringen nach Parabutsch: Das sind die Familien Ansert, Anasensel, Boesser, Burgheim, Eschbach, Freiss, Geiger, Goldinger, Haag, Hahn, Haumann, Hausberger, Huber, Jung, Kempf, Kern, Klein, Kleinberger, Kleiner, Kraus, Kurz, Lauber, Lerad, Lui, Meister, Milla, Müller, Muns, Oberschus, Reith, Schmidt, Ziegler.
Der ersten Zuwanderung folgte zwischen 1780 und 1786 die zweite. Hier waren es aber nicht nur Zuwanderer aus den umliegenden Ortschaften sondern auch mehrere Reichseinwanderer, vorwiegend aus Preußen.
Das waren die Familien Binder, Böhm, Burghardt, Diess, Dickmann, Eichinger, Fischer, Gutsch, Heinz, Haberbusch, Kelenbach, König, Krieger, Märzluft, Mezger, Mohr, Ott, Pichler, Sipel, Steiger, Storch, Teufel, Warnus, Wenzel.
Die Felder, die diese Kolonisten bekamen, waren bis zu diesem Zeitpunkt herrenlos. Keinem alt-eingesessenen Serben durfte laut Anordnung von Kaiser Josef II Feld weggenommen werden.
Nach einem Jahr besiedelte die dritte und letzte Gruppe der Parabutscher Deutschen den Ort. Diese Gruppe von 700 Kolonisten-Familien hatte sich zuerst auf dem Gut von Graf Pejatschevitsch in Ruma angesiedelt. Aber die Kolonisten waren dort unzufrieden. Viele starben dort, andere wiederum, vorwiegend alte Menschen, zog es wieder zurück in die alte Heimat. Den Rest von 250 Familien übernahm die Somborer Kameral Verwaltung. Diese siedelte die Evangelischen in Backi Jarak an und die Katholischen in Parabutsch und Bac Almas. Nach Parabutsch kamen hierbei 50 Familien.
Das Dorf, das nun mittlerweile eine Länge von 3 km hatte, wurde von 7 Straßen durchzogen, die wichtigste davon war die Kirchengasse, parallel dazu waren die Krumme Gasse, die Schlawake Gasse, die deutsche Gasse , die Äußere Reih und die Bahnhofstrasse. Die breiteste Quergasse war die Schulgasse, die zum Friedhof führte. In dieser Straße waren Pfarrhaus, Gemeindehaus, Schulgebäude, Marktplatz und die Synagoge. Neue Dorfteile kamen im Laufe der Jahre hinzu, so auch die Siedlung Nemanovci. Hier siedelten ärmere Leute, ursprünglich 20 Familien, die ihre Hausplätze von der Gemeinde erhalten hatten. Zu den rund 1.000 „alten“ Hausnummern in Parabutsch kamen so noch 200 bis 300 „neue“ hinzu. Zudem war am Ortsrand eine kleine Zigeunersiedlung, in der die Bewohner in sehr einfachen Hütten lebten.
Im Jahre 1784 wurde in Parabutsch ein „Bethaus“ errichtet. Die Kirche wurde mit Ziegelsteinen gebaut und mit Rohr eingedeckt. Dieses Bethaus stand im Hof der ehemaligen deutschen Schule. Aber sehr schnell wurde diese kleine Kirche brüchig, so dass im Jahre 1805 die Kirchengemeinde beschloss, eine neue Kirche zu bauen. Mit kräftiger Finanzhilfe der Kameralherrschaft konnte diese Kirche im Jahre 1811. fertig gestellt werden. Diese Kirche wurde dem heiligen Johannes Nepomuk geweiht. Zuerst versahen Franziskaner aus dem Kloster Batsch den Pfarrdienst, aber ab 1792 hatte die Gemeinde einen eigenen Pfarrer, und das war Josef Filko.
Im Jahre 1873 brach in Parabutsch eine Cholera-Epidemie aus, bei der mehr als 800 Bewohner des Ortes gestorben sind. Das bedeutete, dass beinahe jeder vierte Bürger des Ortes an dieser Seuche verstarb. Noch heute besitzt Parabutsch einen Cholera Friedhof, der an diese entsetzliche Epidemie erinnert.
Wohlstand und bäuerlichen Reichtum erfuhren erst die letzten Generationen der Bürger von Parabutsch. Der Feldbesitz der einzelnen Familien war im Durchschnitt geringer als in anderen schwäbischen Dörfern. Das war vor allem darauf zurückzuführen, dass die Bauern ihren Feldbesitz zu gleichen Teilen an ihre Kinder weiter vererbten, so dass sich der Besitz mit der Zahl der Kinder verkleinerte. Wenn also der Vater 60 bis 80 Joch Feld besaß, waren die Kinder, besonders wenn sie zahlreich waren, nur noch Kleinbauern. Dennoch waren die Parabutscher nicht arm. Auch mit nur 10 Joch Feld konnten sie vorbildlich wirtschaften, zumal sich neben der Landwirtschaft eine gesunde bäuerliche Industrie entwickelte. So gab es im Ort z. B. 12 Betriebe, die sich mit der Verarbeitung von Hanf befassten. Das waren die Hanffabrikationen der Familien Ackermann, Ams, Drach, Boy, Mettler und Hermann. In den Seidenfabriken Drach und Ofner wurden hochwertige Seidenstoffe und Bänder sowie hochwertige Frottierhandtücher erzeugt.
Die Mühle stand im Besitz der Familie Drach. Große Geschäfte wurden von den Familien Effenberger und Ams geführt. Große landwirtschaftliche Flächen waren im Besitz der Familien Drach, Kopp, Purr, Eichinger und Ams. Auf den meisten Salaschhöfen arbeiteten slowakische Pächter (Berescher), die als besonders fleißig und zuverlässig galten.
Von den Parabutschern hatte fast jeder ein Stück Wein- und einen Obstgarten.
Mit den umliegenden Gemeinden, wie Selenca, Pivnica, Towarischewo, Parage, Deronje und Filipowa gab es enge wirtschaftliche, menschliche und multi-ethnische Kontakte. Verwaltungsmäßig gehörte die Gemeinde zum Hodschager Bezirk.
„Mischehen“ zwischen Deutschen und Serben kamen kaum vor, auch zwischen Katholiken und Evangelischen gab es nur in der letzten Zeit einige Ehen.
Im Zweiten Weltkrieg blieb die Batschka „ungarische Besatzungszone“ und wurde so Teil Ungarns. Im Jahre 1942 wurden viele junge Männer vom deutschen Militär „gemustert“ und in den Krieg „eingezogen“. Im Jahre 1943 wurde eine zweite Gruppe rekrutiert, und im September 1944 dann der Rest der jungen Männer der Jahrgänge zwischen 1912 und 1922. Insgesamt mussten 700 Parabutscher in den Krieg ziehen, davon starben 175 im Kriegsgeschehen. In diesen schweren Kriegsjahren wollte die ungarische Besatzung auch den Ort von Serben „räumen“ und sie in Ungarn ansiedeln. Hierfür sollten die Serben in das Lager Scharwar nach Ungarn getrieben werden, wohin zu dieser Zeit schon Serben aus den Ortschaften Ridjica, Rastina u.a. deportiert waren. Die Deutschen aus dem Dorf aber stellten sich gegen diese Maßnahme und verhinderten so die Deportation der Parabutscher Serben.
Als das deutsche Heer von Rumänien über die Batschka nach Deutschland zog, wurde ein Teil der Bevölkerung des Ortes evakuiert. Die Nachricht über die Evakuierung kam am 6. Oktober 1944. Die Flucht des Großteils der Parabutscher Bevölkerung vollzog sich in 4 großen Trecks. Der erste fuhr schon am 07.10.1944 um Mitternacht los, der zweite und dritte folgten. Die meisten Flüchtlinge leitete man ins Sudetenland, aber auch nach Schlesien und nach Mecklenburg, wo sie später wieder flüchten mussten. In diesen Tagen verließen 2450 Personen Parabutsch. Davon haben 62 Personen die Flucht nicht überlebt.
Der Rest der Bevölkerung, ungefähr 650 Parabutscher Deutsche, blieb im Dorf und wartete, was die ungewisse Zukunft wohl bringen werde. In den ersten Tagen nach der Evakuierung fingen in den verlassenen Häusern Plünderungen an. Und um den 20. Oktober kamen russische Truppen nach Parabutsch.
Anfang Dezember 1944 führten die Partisanen eine sog. Aktion „Intelligenz“ in der Batschka durch. Bei dieser Aktion wurden im Dezember in der ganzer Batschka zwischen 6000 und 8000 Menschen brutal ermordet. Jeder deutsche Ort war von dieser Aktion betroffen. Der einzige Ort, an dem diese Aktion nicht erfolgreich war, ist Parabutsch gewesen. Die Parabutscher Serben haben ihr Leben selbst in Gefahr gebracht und ihre deutschen Nachbarn vor dem brutalen Morden geschützt. Parabutsch war der einzige Ort, in dem niemand bei dieser Aktion getötet wurde. Die Serben haben den Deutschen ihre verhinderte Deportation nach Ungarn nicht vergessen.
Aber die Serben konnten die Deportation der Donauschwaben nicht verhindern. Die Gemeindevorsteher verhinderten zweimal die Deportierung der Bevölkerung ins Lager. Daher kam dieser „Abtransport“ in die sog. Vernichtungslager erst ziemlich spät.
Nach den AVNOJ Beschlüssen wurden alle Donauschwaben als Kriegsverbrecher gerichtlich verurteilt und mit der Enteignung und Vertreibung bestraft. Schon am 28. Dezember 1944 wurden 58 Männer und Frauen nach Russland deportiert. Zwölf von ihnen starben dort. Das erste Lager für Zivilpersonen entstand schon im Februar 1945 im Dorf selbst. Im März 1945 trieb man die ganze restliche in den Dörfern noch lebende Zivilbevölkerung in die Lager Filipovo, Gakovo und Kruschevlje, und das ganze Vermögen wurde konfisziert. Schon im Lager Filipovo starben 47 Personen. Insgesamt 500 Personen aus Parabutsch wurden auf diese Lager „verteilt“, und davon starben dort 273 Menschen. 130 Personen aus Parabutsch wurden nicht interniert, dazu gehörten der Pfarrer, der Kantor, Leute aus „Mischehen“ und diejenigen, für die sich die serbischen Bewohner aus Parabutsch eingesetzt hatten. Aber trotzdem war die Zahl der Opfer insgesamt sehr groß, denn nahezu 522 Seelen, das sind 12 Prozent der gesamten Einwohner Parabutschs starben im Krieg und der Nachkriegszeit. In der Zeit der Flucht und Vertreibung lebten in Parabutsch 4300 Einwohner.
Heute leben in Parabutsch noch 3 Personen donauschwäbischer Abstammung. Diese donauschwäbische Zivilisation geht dort langsam zu Ende. Uns, die dort gebliebenen Nachkommen der Donauschwaben, ist die große Hinterlassenschaft geblieben aber auch der große Kummer, wie kann man die Erinnerung an diese Zivilisation in Zukunft am Leben erhalten.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen alles Gute und weiter viel Erfolg bei der Pflege Ihrer Geschichte, Ihrer Erinnerung an Parabutsch und an die guten multi-ethnischen Beziehungen zu Parabutsch.
Boris Masić
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Anlässlich der großen Jubiläumsfeier „230 Jahre deutsche Ansiedlung in Parabutsch u. 30 Jahre Bestehen der Partnerschaft mit der Gemeinde Bad Schönborn“, verfasste Boris Masic ein versierter Historiker aus Apatin, eine professionelle Chronik über die Besiedlung des Ortes Parabutsch durch Deutsche.
Boris Masic, ein junger Mann mit mütterlicherseits donauschwäbischen Wurzeln, ist Deutschlehrer in Apatin. Er hält mit viel Leidenschaft und Engagement die Erinnerung an die donauschwäbische Kultur aufrecht.
Boris Masic baut derzeit in der Herz-Jesu-Kirche in Apatin ein Kirchenmuseum auf. Dort sammelt u. archiviert er die letzten Zeugnisse der Kultur der Donauschwaben in der Batschka.
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